Über das Verschwinden

Regina Heidecke im Gespräch mit Helgard Haug

Helgard Haug Foto: Mara von Kummer

Sie ist vielfach preisgekrönte Theaterregisseurin und Romanautorin: Helgard Haug ist am Sonntag, 8. September, ab 17 Uhr zu Gast bei der Journalistin Regina Heidecke in der Neuen Stadthalle Langen. Das Gespräch im Rahmen der Reihe „Reginas Gäste“ wird einen starken Bezug zu Langen haben, hat Helgard Haugs Vater Egbert doch sichtbare Zeichen in der Stadt hinterlassen.

Wenn Helgard Haug etwas ganz besonders gut kann, dann das: Mit sogenannten „Experten des Alltags“ stellt sie die Wirklichkeit selbst auf die Bühne. Seit 20 Jahren ist das ein Wahrzeichen des Theaterkollektivs „Rimini Protokoll“ (www.rimini-protokoll.de), dessen Mitbegründerin Helgard Haug ist. Ob Aktionärsversammlungen, die Weltklimakonferenz, Zentralen von Rüstungskonzernen oder der Bundestag, in realen oder naturgetreu nachgebauten Räumen finden die Stücke von Rimini Protokoll ihre Realisierung. Oder es sind Stadterkundungen, oft auch im internationalen Raum, auf die das Kollektiv seine Zuschauer mitnimmt, buchstäblich in Bewegung bringt. Dafür wurde „Rimini Protokoll“ preisgekrönt und hat weltweit Anerkennung gefunden.

Helgard Haug hat am Fachbereich Angewandte Theaterwissenschaften, der heimlichen „Kaderschmiede“ für experimentelles und interdisziplinäres Theater an der Universität Gießen studiert. Seitdem entwickelt und inszeniert sie vor allem Theaterstücke, Installationen oder Hörspiele, die überwiegend im dokumentarischen Bereich angesiedelt sind. Jetzt ist ihr erster Roman erschienen, dem ein Jahr früher das gleichnamige Theaterstück ALL RIGHT. GOOD NIGHT. vorrausging. Eingeladen auf zahlreiche Festivals, wurde es dann im Jahr 2022 von der Zeitschrift „Theater heute“ zum „Theaterstück des Jahres“ gekürt. ALL RIGHT.GOOD NIGHT. nimmt einen ganz persönlichen Beweggrund zum Anlass und führt damit direkt nach Langen.

Im Stück wie im Roman steht Helgard Haugs Vater Egbert Haug im Mittelpunkt. Der Mitbegründer des Langener Ginkgo-Hauses, ein Projekt des gemeinschaftlichen und generationenübergreifenden Wohnens, hatte sich für die Einrichtung einer Demenz WG eingesetzt, lange bevor ihn das Schicksal Demenz selbst ereilte. Das Persönliche war für Helgard Haugs Arbeit bislang weniger wichtig, aber jetzt wurde es existentiell: Ganz konkret geht es in ihrem Text um den allmählichen Verlust des Vaters. Zu Beginn ist er noch in der Schwebe, er ist da und ist es doch nicht, und was macht das mit dem erzählerischen Ich?

Es wäre aber kein Stück, auch kein Roman von Helgard Haug, wenn nicht auch hier das Dokumentarische wieder eine Rolle spielte. Im Jahr 2014 war eine Boeing 777, das Flugzeug MH 370, mit 239 Insassen an Bord, auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking buchstäblich verschwunden.

„Über 70 Bücher sind über das Verschwinden geschrieben worden, mehr als 70 Erklärungsversuche. Hilft es, ein Buch zu schreiben? Helfen Bücher gegen das Verschwinden?“ schreibt Helgard Haug in ihrem Buch, in dem sie auf geniale Weise das Verlorengehen des Vaters mit dem Verlust des Flugzeugs ineinander verschränkt. So akribisch, wie die Autorin den rätselhaften Wegen des Flugzeugs nachforscht und dabei weder technische Details noch die Gefühle der Angehörigen vernachlässigt, so behutsam und fast zärtlich, doch immer aus einer gewissen Distanz heraus nähert sie sich dem Vater, um ihn besser zu verstehen.

Über dieses Buch, über ihre Arbeit und Methode der Wahrheitsfindung wird Regina Heidecke mit Helgard Haug im Dialog sein.

Regina Heidecke hat in Frankfurt Soziologie, Germanistik und Philosophie studiert, war ab 1978 Redakteurin der Kulturredaktion beim Hessischen Rundfunk sowie von 2001 bis 2014 Schlussredakteurin der Sendung Kulturzeit bei 3sat. Als Filmemacherin realisierte sie für den Hessischen Rundfunk, arte und 3sat Features und Porträts in den Bereichen Theater, Tanz und Ballett, aber auch Magazinbeiträge zu gesellschaftlichen und politischen Themen sowie Reisefilme. Daneben war sie viele Jahre als Ballettkritikerin für hr2 tätig. Als Redakteurin bei Kulturzeit hat sie sich vermehrt den Themen Politik, Bildung, kritischer Journalismus sowie Fragenstellungen zum Islam und dem Nahen Osten zugewendet. Ganz besonders am Herzen lag ihr die Ausbildung und Betreuung von jungen Journalisten und Filmemachern aus Ländern wie dem Irak, Tunesien, Pakistan und Afghanistan in Kooperation mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). In Workshops hat sie mit dem Goethe-Institut in Syrien, mit dem Institute for war and Peace Reporting (IWPR) im Nordirak, sowie dem Senior Expert Service (SES) in Indonesien zusammengearbeitet. Seit 2015 ist Regina Heidecke freie Journalistin.

Der Eintritt kostet 9,80 Euro. Karten im Vorverkauf gibt es unter www.neue-stadthalle-langen.de (Tickethotline 06103 203-455), in Langen im Reisebüro Mister Travel (Westendstraße 2, Telefon 06103 25021) und im Buchladen am Lutherplatz (Telefon 06103 28717) sowie bundesweit in allen Vorverkaufsstellen von AD Ticket (www.adticket.de, Tickethotline 0180 6050400).

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