Große Sorge um Radschnellverbindung
Stadt erwartet bei RTW klare Positionierung des Landes
Der symbolische erste Spatenstich für den Abschnitt Langen-Mitte der Radschnellverbindung Frankfurt – Darmstadt ist gerade erst ein paar Tage her, doch aus Sicht des Magistrats sind dunkle Wolken über dem Gesamtprojekt aufgezogen. Grund ist laut Bürgermeister Jan Werner und Erstem Stadtrat Stefan Löbig die Entwicklung bei der Regionaltangente West (RTW), die sich negativ auf die Planung des Abschnitts nördlich des Langener Bahnhofs auswirke und die vorgesehene Streckenführung unter Umständen sogar unmöglich mache.
Der Baubeginn für die RTW liegt schon fast zwei Jahre zurück, inzwischen finden auf nahezu allen Abschnitten erste Arbeiten statt oder stehen unmittelbar bevor. Nur die Planung der Verlängerung der Trasse von Dreieich-Buchschlag bis nach Langen kommt nicht voran, obwohl alle bisherigen Untersuchungen sowohl die Machbarkeit als auch den enormen Nutzen deutlich gemacht haben. Aus Sicht des Magistrats werden von der Deutscher Bahn AG (DB), dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und in der Folge von der RTW-Planungsgesellschaft fadenscheinige Argumente vorgeschoben. Bürgermeister Jan Werner richtet deshalb nun einen dringenden Appell an den neuen hessischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Kaweh Mansoori, sich für den Anschluss Langens stark zu machen und baldmöglichst eine Entscheidung herbeizuführen. Zudem hat der Magistrat Einwendungen im aktuell laufenden Anhörungsverfahren für den Planfeststellungsabschnitt Süd 2 eingelegt, da nach seiner Auffassung die Anbindung Langens in das Verfahren mit aufgenommen werden muss.
Langen war später als andere beteiligte Kreise und Kommunen auf den Planungs-Zug der Schienenverbindung vom Hochtaunuskreis über den Flughafen Frankfurt in den Kreis Offenbach mit den Endpunkten Neu-Isenburg-Birkengewann und Dreieich-Buchschlag aufgesprungen. Doch die Sterzbachstadt hat gewichtige Argumente, die für eine Verlängerung sprechen: mehr als 40.000 Einwohner mit stark steigender Tendenz, fußläufig erreichbare Bahnhöfe mitten im Stadtgebiet und nahe dem Wirtschaftszentrum Neurott mit großen und wichtigen Arbeitgebern wie der Deutschen Flugsicherung und dem Paul-Ehrlich-Institut mit zusammen über 4.000 Beschäftigten, die sich eine umsteigefreie Verbindung zum Flughafen Frankfurt wünschen. Dazu kommen hervorragende ÖPNV-Bedingungen mit überaus komfortabler Anbindung durch Bus und Hopper an alle Stadtteile und die Nachbarorte sowie der einzige Regionalbahn-Halt zwischen Darmstadt und Frankfurt. Studien haben ergeben, dass Langen das Potenzial hat, einer der bedeutenden Haltepunkte entlang der RTW-Strecke zu werden. Der durch die Baugebietsentwicklung prognostizierte Bevölkerungszuwachs von rund 4.000 Einwohnern ist dabei noch nicht berücksichtigt. Auch die Industrie- und Handelskammern Offenbach und Frankfurt sprechen sich ganz klar für die Verlängerung aus.
„Bereits die Machbarkeitsstudie aus 2017 mit einer Eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchung und einer Nutzen-Kosten-Abschätzung hatte alle Akteure – auch die damals bei der DB Netz Zuständigen – überzeugt“, heben Bürgermeister Jan Werner und Erster Stadtrat Stefan Löbig hervor. Ermutigt durch die positiven Rückmeldungen hat die Stadt über die RTW-Planungsgesellschaft die Vorplanung in Auftrag gegeben und insgesamt rund 300.000 Euro Langener Steuergelder eingesetzt. Diese Vorplanung liegt seit 2022 vor und bestätigt die Machbarkeit im Detail. „Dennoch kam völlig überraschend Anfang 2023 der Geschäftsführer der RTW-Planungsgesellschaft Horst Amann mit der Nachricht, die DB habe Bedenken und stelle die Anbindung technisch und organisatorisch in Frage“, berichtet Jan Werner. „Seitdem hat es zwei Besprechungen mit Land, RMV, DB, Kreis und Planungsgesellschaft gegeben, in denen die Entscheidung immer wieder unnötig vertagt wurde.“
Konkret bedeutet das, dass vonseiten der Bahn AG und dem RMV mitten in der Planungsphase die Rahmenbedingungen entscheidend geändert wurden. So soll nun zwischen Buchschlag und Langen plötzlich nicht mehr auf vorhandene S-Bahn-Gleise zurückgegriffen werden, vielmehr wird ein zusätzliches Gleis auf der Ostseite der Main-Neckar-Bahn gefordert. „Dabei wirbt die RTW im Planungsabschnitt Neu-Isenburg explizit damit, dass sie besonders ressourcenschonend plant und weitgehend vorhandene Strecken der Deutschen Bahn mit nutzt. Es verwundert es uns doch sehr und ist nicht nachvollziehbar, dass von dieser vielgelobten Praxis bei der Anbindung Langens plötzlich abgewichen werden soll“, so der Bürgermeister. „Zumal ein Gleis auf der Ostseite im Bereich Liebigstraße mit der Radschnellverbindung kollidieren würde und somit ein anderes Prestigeprojekt des Landes Hessen in der Rhein-Main-Region gefährdet wäre.“
Zudem fordert die Bahn AG, die in alle bisherigen Untersuchungen eng eingebunden war, nun pro Stopp plötzlich Haltezeiten von 42 statt bisher 30 Sekunden. Allerdings: „Die Planung berücksichtigt die Frankfurter Stadtbahnwagen, bei denen die Haltezeiten an den Stationen nur 15 bis höchstens 25 Sekunden betragen – ein großer Puffer zu den von der DB verlangten 42 Sekunden“, sagt Erster Stadtrat Stefan Löbig. „Und selbst wenn: Es gibt 25 Stopps zwischen dem Taunus und Langen. Da sollen die zwölf Sekunden mehr nur Auswirkungen auf Langen haben? Das ist absolut unglaubwürdig“, so Bürgermeister Jan Werner.
Der Berater der Stadt Langen, Dr. Werner Weigand, vor seinem Ruhestand strategischer Planer bei der DB Netz AG und somit ausgewiesener Fachmann, hat zudem bereits Vorschläge unterbreitet, wie das Zeit-Problem mit vertretbarem Aufwand gelöst werden kann. „Doch bislang haben wir das Gefühl, dass die RTW-Planer nur ergeben zuhören, was Bahn und RMV sagen, anstatt es kritisch zu hinterfragen“, sind sich Bürgermeister und Erster Stadtrat einig. „Wir erwarten, dass bei der RTW kreativ nach Lösungen gesucht wird, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Klares Ziel muss sein, die Stadt Langen mit den meisten Einwohnern im unmittelbaren Einzugsbereich eines Bahnhofs und somit mit dem nach Frankfurt und Bad Homburg größten Fahrgastpotenzial auf der gesamten RTW-Strecke nicht unberücksichtigt zu lassen.“
Vom bisherigen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hätte sich der Magistrat deutlich mehr Unterstützung erwartet. „Wir setzen unsere Hoffnung nun in die neue hessische Regierung und in Minister Kaweh Mansoori“, sagt Jan Werner. „Angesichts der erforderlichen Verkehrswende wäre es absurd, wenn die RTW zwei Kilometer vor dem größten im Süden erreichbaren Potenzial mitten im Wald enden würde. Wir haben nichts unversucht gelassen, um die politische Führung auf Landesebene zu überzeugen, bisher jedoch mit nur mäßigem Erfolg auf der Handlungsebene. Wir sind vertröstet worden, Mitte des Jahres sollen die Ergebnisse nun endlich vorliegen. Leider werden weder wir als Stadt noch unsere wirklich versierte Fachberatung in die Planungen eingebunden. Unsere Argumente werden auch nicht eingearbeitet, sondern – drastisch gesagt – einfach ignoriert. Wir haben das Gefühl, dass bei der Anbindung Langens neue Rahmenbedingungen gesetzt wurden, damit das Projekt nicht erfolgreich sein kann“, erklärt der Bürgermeister.
Gespannt ist man in Langen im Übrigen auf die Reaktion der Bevölkerung in Dreieich. „Schenkt man der Deutschen Bahn Glauben, soll Buchschlag – wenn dort die Endstation wäre – nach den aktuellen Vorstellungen nun durch ein neues, sechstes Gleis angebunden werden. Und zwar durch eines östlich der bestehenden Gleise, also in Richtung der Wohnbebauung. Ob das so kritiklos Akzeptanz findet, werden wir beobachten, da wir weiterhin lieber auf der Westseite – fernab der Wohnbebauung – nach Langen durchfahren möchten“, merken Jan Werner und Stefan Löbig an.
„Wir haben die ganz klare Erwartung, dass die RTW-Planungsgesellschaft auch die von uns gemachten Vorschläge berücksichtigt. Alle reden davon, dass mehr Menschen vom Auto auf den Öffentlichen Personennahverkehr umsteigen müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Da sollten sich die Planer schon vor Augen führen, welche Chancen sie verpassen, wenn sie Langen ausschließen“, erklärt Jan Werner. Und in Richtung Minister Kaweh Mansoori sagt er: „Nachdem die Stadt Langen über 300.000 Euro Planungskosten ausgegeben hat, verlangen wir Ehrlichkeit und Transparenz. Das heißt, entweder die umgehende Einleitung des Planfeststellungsverfahrens oder eine finale Absage.“