Eine Erfolgsgeschichte und ihre Folgen

Stadt Langen steuert finanziell auf schwierige Zeiten zu

Auf Langens Gewerbetreibende ist Verlass: Dank der Gewerbesteuereinnahmen, die seit 2021 immer über den Erwartungen lagen, erzielte die Stadt im Haushalt jeweils Überschüsse – zuletzt 2023, wo statt eines erwarteten Defizits von 4,9 Millionen Euro ein Plus von 1,8 Millionen zu verzeichnen war. Auch im aktuellen Jahr geht die positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer weiter. Allerdings: Stetig und in enormem Umfang steigende Ausgaben in Bereichen, die nicht von der Stadt Langen steuerbar sind, führen zu Finanzlöchern, die allein dadurch nun nicht mehr zu stopfen sind.

2024 wird das erwartete städtische Defizit, das sich – ebenfalls durch die positive Entwicklung der Gewerbesteuer – von zwischenzeitlich prognostizierten zwölf auf aktuell nur noch 8,8 Millionen Euro verringert hat, noch durch die Inanspruchnahme vorheriger Überschüsse gedeckt werden können. Für das Jahr 2025 gelingt dies nach augenblicklichem Stand nicht mehr zur Gänze. Und der Blick in die Zukunft sieht ebenfalls nicht rosig aus.

Der Haushaltsplanentwurf für 2025, den Bürgermeister Jan Werner jetzt der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt hat, weist Einnahmen von 128,2 Millionen Euro aus. Auf der Ausgabenseite stehen 141 Millionen. Das bedeutet ein Defizit von 12,8 Millionen Euro.

Hauptgrund dafür ist eine absolute Erfolgsgeschichte: der Ausbau der Kinderbetreuung, den Jan Werner mit seinem Amtsantritt am 1. Juli 2020 in Gang gebracht hat. Seither wurden zehn Einrichtungen neu eröffnet oder erweitert und insgesamt über 475 neue Betreuungsplätze geschaffen. „Betreuungsplätze, die dringend notwendig waren, um die Zahl der Kinder auf der Voranmeldeliste deutlich zu reduzieren“, betont der Bürgermeister. „Im Bereich der über Dreijährigen sind wir auf der Zielgrade. Dank einstimmiger oder mit großer Mehrheit getragener Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung. Die Folgekosten habe ich gleichzeitig immer transparent dargestellt.“

Über den Daumen lässt sich für jede Einrichtung eine Defiziterhöhung um eine Millionen Euro rechnen. Der Weg, das Haushaltsloch größtenteils zu schließen, ist in der Theorie somit einfach, doch er ist in der Praxis nicht zu gehen: Wäre es möglich, die Kosten der Kinderbetreuung gleichmäßig zu je einem Drittel auf Kommune, Land und Eltern zu verteilen, wäre die Haushaltskonsolidierung überhaupt nicht notwendig. Doch weder beim Land noch bei den Eltern wird es möglich sein, diese deutliche Erhöhung zu erzielen. Eine moderate Anhebung des Eigenanteils der Eltern ist nach Ansicht des Magistrats aber unumgänglich und in den Planzahlen bereits berücksichtigt.

Auch der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Grundschulkinder ab 2026 macht sich bereits jetzt im Etat der Stadt bemerkbar, da notwendige Vorbereitungen zu treffen sind. Und anders als im Rest von Hessen übernimmt der Kreis Offenbach die notwendigen Investitionen an den Schulen nur zur Hälfte, die anderen 50 Prozent belasten die kommunalen Etats.

Bei der Aufstellung des Haushaltsentwurf 2025 wurde verwaltungsintern bereits intensiv der Rotstift angesetzt. „Dabei wurde das Defizit schon um drei Millionen Euro verringert“, macht Jan Werner deutlich. Mehr sei aber nicht herauszuholen, denn die allermeisten Ausgaben resultieren aus Pflichtaufgaben. Und da sei es nach wie vor so, dass Bund und Land den Kommunen neue Aufgaben auferlegen, ohne dass ein finanzieller Ausgleich erfolgt. Als Beispiele nennt der Bürgermeister Namensrechtsänderung im Standesamt, Flüchtlingsunterbringung, Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, Standards in der Kinderbetreuung, Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Barrierefreiheit und Digitalisierung.

Auswirkungen auf die städtische Finanzkraft hat auch der Zensus 2022, also die jüngste Bestandsaufnahme der Bevölkerungszahl („Volkszählung“). Nach der ersten Mitteilung des Statistischen Bundesamtes schrumpft Langen um 1.812 Personen. „Das Land Hessen hat scheinbar schlechter gezählt als andere Bundesländer und nicht nur bei uns fehlen auf einmal Einwohner, sondern im ganzen Land“, sagt Jan Werner. Dies hat Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich und die Steuerverteilung. Das Finanzloch im Landeshaushalt werde durch Einsparungen im Kommunalen Finanzausgleich gestopft.

Eine weitere finanzielle Unsicherheit bringt die Umsetzung der Grundsteuerreform zum Jahreswechsel 2024/2025. „Der Bund hat den Bürgerinnen und Bürgern eine aufkommensneutrale Umsetzung versprochen. Dabei wurde verheimlicht, dass es für Einzelne zu deutlich höheren Zahlbeträgen kommen kann und für andere zu deutlich niedrigeren“, kritisiert der Bürgermeister. Denn die Aufkommensneutralität bezieht sich auf das Gesamtaufkommen der Kommune. Das Land hat den Kommunen kürzlich eine Hebesatzempfehlung mitgeteilt – für Langen 1.268,77 für die Grundsteuer B. Dieser Empfehlung ist der Magistrat zunächst gefolgt, obwohl das nach den aktuell vorliegenden Messbeträgen zu niedrigeren Erträgen führt, da dies auch ein gültiger Stadtverordnetenbeschluss vorsieht.

Jan Werner verdeutlicht: „Wollte man das Defizit von 12,8 Millionen Euro alleine mit einer Erhöhung der Grundsteuer B ausgleichen, müsste der Hebesatz um 1.025 Punkte angehoben werden, also fast 2.300 Punkte betragen. Zum Glück haben wir noch ein Rücklagenpolster und im Haushaltssicherungskonzept klafft derzeit nur eine Lücke von 2,3 Millionen Euro, was 184 Hebesatzpunkten entsprechen würde.“ 

Mit der Kommunalaufsicht in Dietzenbach hat der Bürgermeister bereits über die angespannte Haushaltslage der Stadt Langen gesprochen. Dort habe man zwar viel Verständnis, aber dennoch klargemacht, dass ein Haushaltsausgleich unabdingbar sei. Zentrale Konsolidierungsmaßnahme ist aus Sicht der Aufsichtsbehörde die in der Beratung befindliche Nachhaltigkeitssatzung. Eine solche würde für die Bürger bei Finanzlücken einen Auf-, bei Überschüssen einen Abschlag auf den Grundsteuerbetrag bedeuten, was jährlich neu berechnet würde. „Die Kommunalaufsicht fordert, für die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes in Bezug auf die Nachhaltigkeitssatzung die derzeitige Formulierung von ,wird erwogen‘ in ,wird verabschiedet‘ zu ändern“, berichtet Jan Werner. „Es wurde aber auch betont, dass es in der Hoheit der Stadtverordnetenversammlung liegt, belastbare Alternativmaßnahmen zu beschließen. Die Betonung liegt auf belastbar.“

In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 10. Oktober soll ein externer Experte zum Thema Nachhaltigkeitssatzung beratend herangezogen werden. Die Beratungen des Haushaltsentwurfs 2025 sind für Dienstag, 12. November, sowie bei Bedarf am 13. und 14. November (jeweils 19.30 Uhr im Rathaus) vorgesehen. Zur Abstimmung kommen soll das Zahlenwerk in der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, 12. Dezember.

Mit dem interaktiven Haushaltsplan möchte die Stadt den Bürgerinnen und Bürgern erstmals die Möglichkeit bieten, sich den Etat in einer visuell ansprechenden und verständlichen Form anzusehen, damit sie sich über die aktuelle Haushaltsentwicklung und die Investitionsmaßnahmen informieren können. Die zahlenmäßige Darstellung wird durch Grafiken und Diagramme ergänzt. Zu finden ist der interaktive Haushaltsplan auf der Internetseite der Stadt.

Zurück zum Anfang der Seite springen